Liebe Besucher*innen der Gessnerallee, liebe Künstler*innen
Seit dem Beginn der Leitung von Kathrin Veser und Miriam Walther liegt ein verstärkter Fokus unserer Arbeit auf der intensiven Auseinandersetzung mit Barrierefreiheit. Weil Barrieren oftmals schwer abzubauen sind, verlangt dieser Fokus einerseits viel Arbeit und Durchhaltevermögen, macht aber auf der anderen Seite auch eine Menge Spass. Und kann unglaublich schön sein. Der heutige Wochenbrief gibt Einblicke zu den verschiedenen Ebenen beim Abbau von Barrieren.
Ein Beispiel ist die Arbeit «Songs of the Wayfarer» der schottischen Künstlerin Claire Cunningham, die am Freitag, 7. November, und am Samstag, 8. November, bei uns zu Gast ist. Poetisch und humorvoll widmet sich Cunningham hier aus der Perspektive einer Person mit Behinderung einer der beliebtesten Sportarten der Schweiz, dem Wandern. Und lässt sich dabei von Gustav Mahlers «Liedern eines fahrenden Gesellen» inspirieren. Einen Vorgeschmack auf die Arbeit gibt es im Trailer auf Youtube und im Porträt von Anna Miller.
Cunningham und ihr Team bieten dabei eine Menge künstlerisch gestalteter Barrierefreiheitsmittel an. Beide Abende werden mit deutschen und englischen Übertiteln gezeigt, die kreativ in das Bühnensetting eingearbeitet sind. Darüber hinaus gibt es eine aufgezeichnete Audiodeskription in Deutsch oder Englisch, die über Kopfhörer angeboten wird. Und die Veranstaltung findet als Relaxed Performance statt, das heisst, Besucher*innen können den Raum jederzeit verlassen und wieder zurückkommen. Geräusche, Bewegungen und Stimming sind herzlich willkommen.
Die Show am 7. November wird durch eine deaf interpreter* (Kristina Janković) zusammen mit einer DSGS-Übersetzerin (Regula Bächler) in Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS) gedolmetscht. Ausserdem steht ein Rückzugsraum mit Sitzsäcken, Gehörschutz und stim toys vor, während und nach der Show im Nordflügel zur Verfügung.
Barrierefreiheit ist bei uns nicht nur bei der Programmgestaltung ein wichtiges Thema, sondern auch im Hinblick auf die Zugänglichkeit des Gebäudes. Und hier gibt es noch einiges zu tun – denn das Gebäude ist knapp 150 Jahre alt und die Büro- und Probenräume im ersten Stock sind nicht stufenlos zugänglich. Das bedeutet, dass Künstler*innen und Teammitglieder mit Mobilitätseinschränkungen sich in diesen Räumen nicht oder nur eingeschränkt aufhalten können. In ihrer Analyse «Der Handlungsbedarf sitzt im Erdgeschoss herum» macht Journalistin Marguerite Meyer in der Gessnerallee Zeitung das Spannungsfeld greifbar, das zwischen der Arbeit an Barrierefreiheit, den Vorgaben zum Denkmalschutz und der spezifischen Zeitlichkeit von Verwaltungsprozessen besteht.
Diesen Herausforderungen begegnen wir in Zusammenarbeit mit der Immobilienverwaltung der Stadt Zürich mit viel Energie und Zuversicht – und kommen Schritt für Schritt voran.
Letzte Saison haben unsere Diversitätsagent*innen Ramona Unterberg und Manuel Gerst zusammen mit der Beratungsorganisation «Sensability – Expertise für Inklusion» in einem durch Stadt und Kanton subventionierten Transformationsprojekt Massnahmen entwickelt, die insbesondere darauf zielen, Barrieren auf dem Weg zur und in die Gessnerallee abzubauen. Eine besondere Beachtung findet hier der Stall6 als sozialer Treffpunkt und Foyer des Hauses, der für möglichst viele Menschen als angenehmer Aufenthalts- und Durchgangsort gestaltet werden soll.
Wir bleiben dran und freuen uns weiterhin über jedes Feedback zu Barrieren, die es noch abzubauen gilt, aber auch zu gelungenen Barrierefreiheitsangeboten unter barrierefreiheit@gessnerallee.ch.
* Deaf interpreter ist ein feststehender Begriff und bezeichnet eine gehörlose oder Taube Person, die als Dolmetscher*in für Gebärdensprache arbeitet.