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Porträt

«Auf der Bühne muss ich weniger schauspielern als in der Realität»

Im Juni zeigt das LAB Junges Theater Zürich das Stück «Begehren» an der Gessnerallee. Die drei LAB-Spieler*innen Raven Bühler, Salome Rentsch und Yeva Ustymenko teilen ihre Gedanken über das Leben im und abseits des Theaters und verraten, was sie mit dem Begriff «Begehren» verbinden.

Anna Miller, 21. Mai 2025

Salome Rentsch (24) Copyright: Laura Gauch

Salome Rentsch, 24, Hedingen

Ich liebe das LAB, ich würde am liebsten für immer hierbleiben. Doch das geht nicht. Bald bin ich zu alt für das LAB. Dann wartet dieses grosse Loch auf mich. Es gibt für junge Erwachsene kaum Möglichkeiten, weiter Theater zu spielen, du gehst entweder aufs Dorftheater oder machst die Schauspielschule, dazwischen existiert nichts. 

Ich habe vergangenes Jahr die Aufnahme an der ZHdK versucht, sie haben mich aber nicht genommen. Es bewerben sich jeweils Hunderte Personen, da hast du kaum Chancen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als in Filmen und Theaterstücken mitzuspielen, dafür brauche ich jedoch eine Schauspielausbildung. Ich möchte aber nicht im Ausland arbeiten, ich kann nicht so weit von zu Hause weggehen, ich brauche meine gewohnte Umgebung, meine Familie, die Natur. Was also wird aus mir? Ich weiss es nicht. Das macht mir Angst. 

Ich bin im Studium zur Kindergarten-/Unterstufenlehrperson, im Sommer schliesse ich ab. Doch der Beruf macht mir immer noch Angst. Gleichzeitig auf 22 Kinder aufpassen, dieser Lärm, das Chaos, diese Verantwortung, man weiss nie, was als Nächstes kommt. Die Leute denken immer, das Theater sei verrückt und chaotisch. Dabei ist es klar und strukturiert. Ich kenne die Abläufe, die Menschen, das Stück. 

«Das Theater gibt mir Raum, ist ein Ort, wo ich frei sein kann, nicht so sehr in meinem eigenen Kopf, nicht so sehr gefangen genommen von den Erwartungen der anderen.»

Die Leute sagen mir: Lehrerin sein und Schauspielerin sein, das ist doch dasselbe, vorne stehen und reden. Doch sie vergessen, dass das Theater diesen Rahmen hat, den ich so dringend brauche, und dass im Theater gleichzeitig so viel Platz hat, was im Leben sonst keinen Platz hat. Das Theater gibt mir Raum, ist ein Ort, wo ich frei sein kann, nicht so sehr in meinem eigenen Kopf, nicht so sehr gefangen genommen von den Erwartungen der anderen. Das Theater ist für mich ein sicherer Ort, einer, der nicht ständig etwas Neues von mir verlangt. Draussen, im Leben, mit anderen Menschen, weisst du nie, was dich erwartet.

Ich warte derzeit auf meine Autismus-Diagnose, das würde vieles erklären, vielleicht sogar erleichtern, all das einordnen, was ich schon immer fühlte: diese Erschöpfung, die nach ein paar Stunden über mich kommt, wenn ich mit Menschen arbeite. Die Geräusche, das Licht, das mich stört. Manchmal breche ich von einem Moment zum anderen in Tränen aus und will nur noch nach Hause, weil ich mich nicht verstanden und wohl an diesem Ort fühle. Doch das verstehen viele Menschen nicht. 

Hier im LAB ist mein Erleben kein Problem, ich darf Pausen machen, ich darf nachfragen, ich darf verunsichert sein. Vielleicht wird mir die Autismus-Diagnose helfen. Ich habe die Hoffnung, dass sich mein System anpassen wird mit der Zeit, dass ich meine Toleranzgrenzen ausdehnen kann und dann doch irgendwie in diese Welt passe. Wenn ich weiss, was passiert, und meine Energie einteilen kann, bin ich flexibler, und dann funktioniert alles ziemlich gut. Doch draussen, abseits der Bühne, muss ich maskieren, wie ich mich fühle. Ist das nicht absurd? Dass ich auf der Theaterbühne weniger schauspielern muss als in der Realität.

Zu den anderen Porträts

«Begehren»
LAB Junges Theater Zürich

Do, 05.06. (ausverkauft)
Sa, 07.06.
So, 08.06.
Mo, 09.06.

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