Ein vielleicht kathartisches Pathos zum Einstieg: Ich fürchte mich vor dem Zustand der Gegen-
wart. Müde, wütend, mütend zwischen Kampfeslust und Immer-Frust: Es gestaltet sich auch kollektiv schwer, nicht einer Ohnmacht zu verfallen, die uns vorgaukelt, handlungsunfähig zu sein.
So denken und fühlen? Alle Sorge zur Selbstsorge in Ehren, die Apathie steht mir doch eigentlich nicht zu, wie ich hier sitze und diese Zeilen aus einem Zustand des Privilegs schreibe, der sich eigentlich einer Bitterkeit und einem Nihilismus zu widersetzen hat.
Ich fürchte mich aber immer noch vor dem Zustand der Gegenwart. Aller Starre zum Trotz suche ich nach Orten, Menschen, Momenten, die diese Angst nicht verneinen, aber mit ihr umzugehen wissen. Orte, Menschen, Momente suche ich, die irgendwas mit/trotz/wegen der Angst machen angesichts eines drohenden (oder schon angekommenen) Faschismus (als ein Krisenbeispiel von vielen).
Nennt es Naivität. Nennt es Aberglauben, vielleicht. Die Ansätze eines hoffnungsvollen und wirksamen Ortes finde ich – mit allen Schwierigkeiten – im Theater. Weit weg vom Idealzustand, widmen sich doch sehr viele Theaterschaffende den Wegen der sozialen und nachhaltigen Gerechtigkeit. Wir versuchen es, das mit der Gemeinschaft und dem Kollektiven, das mit dem Zusammenkommen, das mit dem Zuhören und Lernen, das mit dem Wissen, das mit der Diversität und der Anti-Diskriminierung und vieles mehr. Oft ist es schön. Oft scheitern wir. Aber wir versuchen es.
Auf so vielen (kultur-)politischen Ebenen wird uns dieser Versuch streitig gemacht, gar dagegen angekämpft, als ob wir nicht wirklich ernsthaft erproben sollten, wie unterdrückungsfreies Zusammenleben aussehen könnte, sondern einfach die Kassen mit «interessanten Themen» zu füllen hätten. Mehr produzieren. Mehr sparen. Auch an Menschen. Der Druck, der unaufhörlich von ganz oben bis nach ganz unten strömt und so vieles mit sich reisst. Darin eine «Utopie» zu üben, scheint zynisch.
Und doch: Theater erscheint mir immer noch als einer der vielleicht letzten Orte, die durch ihre unaufhörlichen Fragen an die Welt nie ganz zum Stillstand kommen können, sich nie ganz einer alleinigen Realität hingeben. Wir probieren, in die Ritzen einer von Ausschluss geprägten Gesellschaft zu greifen und sie so weit wie möglich aufzureissen, damit wir vielleicht erfahren, was eigentlich noch so alles möglich wäre.
Wir probieren es.