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Ein Gedanke zu Theater

«Macht mal Licht an, ich hör nichts»

In diesem Format schreiben verschiedene Autor*innen über ihre «Gedanken zu Theater». Ein Beitrag von Fia Neises, freischaffende Choreografin, Performerin, Theaterpädagogin und Behindertenrechtsaktivistin.

Fia Neises, 20 August 2025

Ich möchte hier nicht die Geschichte erzählen, wie sich eine Blinde in eine Taube verliebt, um den dramatischen Effekt zu nutzen, der mit dem Motiv einhergeht, wenn sich Wesen aus unterschiedlichen Welten begegnen.  

Aber es ist schon etwas dran, wenn gesagt wird, dass wir in unterschiedlichen Welten leben. Wo könnten wir uns denn begegnen? Jedenfalls nicht in der Sonderschule für blinde Kinder. Während der Schulzeit werden so einige Glaubenssätze gesät und die sogenannten Berührungsängste existieren, for real

Und wenn wir eine Lösung für etwas eigentlich Unmögliches suchen … dann hält auch hier das Theater her. Dadurch, dass es hier das gemeinsame, wunderbare, kurz: nicht ganz so kapitalistische, sogar unproduktive Ziel gibt, gemeinsam Kunst zu schaffen, entsteht Raum für SINN*lose Jokes, Prozesse und Kennenlernen. Wir teilen miteinander unsere Blind Gains*, Deaf Gains* und jetzt kommts’: BLEAF Gains*.  

In einer Rechercheresidenz stellten meine Taube Kolleg*in und ich fest, dass wir oft nicht gleichzeitig mit anderen im Raum lachen. Wir brauchen beide eine Übersetzung, wodurch eine Verspätung entsteht. Und dieser Gedanke hat uns inspiriert ...

«Ich sehe das Publikum nicht und werde nicht so nervös.»

«Ich kann dir unbemerkt in die Hand gebärden.»

«Wir entwickeln den Rhythmus gemeinsam, durchs Fühlen.»

So habe ich mich mit Tauben Kolleg*innen im Rahmen von Produktionen oder Audiodeskriptionsworkshops ausgetauscht. Audiodeskription (AD) ist für mich im Theater die Vertonung des Sichtbaren. Meine Tauben Kolleg*innen erzählten mir von der Visualisierung des Hörbaren. Ihre Bildsprache ist trainiert, und wenn mir meine Tauben Kolleg*innen ein Bühnengeschehen über taktile Gebärden oder ausdrucksstarke Gesten beschreiben, entsteht für mich sofort ein Bild. Es ist unmittelbar da. AD in Lautsprache sind linear hintereinandergefügte Informationen, die ich peu à peu zu einem Eindruck zusammenpuzzle. Dieses Vorgehen ist auch schön, nur eben anders und nicht die einzige Lösung.

In meiner Vorstellung gibt es keinen anderen Ort als das Theater, wo das hätte passieren können. Mit Theater meine ich eher das Konzept als die Institution, so wie manche Menschen auch Glauben und Kirche trennen. Denn Theaterinstitutionen haben noch viel zu lernen über unsere BLEAF-Gains.

*Blind(ness) Gain – zu Deutsch: Blinder Gewinn. Gemeint sind die Fähigkeiten und Vorteile, die dadurch entstehen, die Welt mit dem Blinden Wahrnehmungsstil zu erleben.  

*Deaf Gain – zu Deutsch: Tauber Gewinn. Gemeint sind die Fähigkeiten und Vorteile, die dadurch entstehen, die Welt mit dem Tauben Wahrnehmungsstil zu erleben. 

«Dramaturgie blind inklusiv: Barrierefreies Kunstschaffen mit und für blindes und sehbehindertes Publikum»
Fia Neises und Liv Schellander

Do. 28.08.
15:00 – 18:00

«Dramaturgie blind inklusiv: Workshop-Sharing»
Fia Neises, Liv Schellander, Workshop participants
Sa. 30.08.
15:00 – 16:30

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